Haushalt 2021: Lichtblick und viele Aufgaben

Hinter uns liegt ein ungewöhnliches Jahr, ein ungewöhnlich herausforderndes Jahr. Vor uns liegt ein nicht minder herausforderndes Jahr. Die Gesundheitskrise hat sich längst ausgeweitet zu einer sozialen und wirtschaftlichen Krise. Fehlende soziale Kontakte; Betriebe, die kurz vor dem Ruin stehen, weil ihnen Einnahmen fehlen und staatliche Hilfen nicht ankommen; immer wieder geschlossene Kitas und Schulen, mit all den bekannten Folgen von Kindeswohlgefährung, der Zunahme häuslicher Gewalt und sinkender Bildungsgerechtigkeit.

Die Krise hat bekannte Defizite offenbart. Deutschland ist ein digitales Entwicklungsland. In der Haushaltsrede 2018 haben wir angemahnt, dass die Digitalisierung unserer Schulen zwar voranschreitet, aber viel zu langsam. 2019 legten Bund und Land den DigitalPakt Schule auf. Jetzt, zwei Jahre später und nach einem Jahr Pandemie mit Distanz- und Wechselunterricht, sollen die Mittel abgerufen werden. Das Pandemie-Jahr hat gezeigt: Digitalisierung ist nicht nur etwas für liberale Nerds, sondern ist längt eine Frage von Gerechtigkeit, Teilhabe und Gesundheitsschutz.

Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass mit der letzten Änderungsliste weitere Mittel für die Digitalisierung der Verwaltung investiert werden. Wir begrüßen ebenso, dass die Stadt neben den Mitteln von Bund und Land auch eigene Gelder für die Digitalisierung unserer Schulen in die Hand nimmt. Aber trotzdem: Die Digitalisierung in Linnich läuft weiter viel zu langsam. Eine schriftliche Anfrage zur digitalen Agenda unserer Stadt wartet seit August 2020 auf Beantwortung.

Linnich braucht eine Digitalstrategie. Wir brauchen klar definierte Ziele und einen Umsetzungshorizont. Wann kommt endlich der Breitbandausbau voran? Andere Gemeinden im Kreis haben längst Vereinbarungen mit Unternehmen. Warum bauen wir das Freifunk-Netz nicht weiter aus? Wir Freie Demokraten sind überzeugt: Linnich muss Digitalstadt Nr. 1 werden. Die digitalste Stadt in der Region. Weniger Behördengänge, schnelle Entscheidungen, eine papierlose und digitale Verwaltung, Schulen, für die digitales Lernen keine Herausforderung oder Umstellung mehr ist.

Eine digitale Infrastruktur ist auch Grundlage für wirtschaftliches Wachstum. Wenn wir neue Unternehmen nach Linnich holen wollen, wird uns das nur gelingen, wenn wir nicht bei einer Leistung von 50 Mbit/s stehen bleiben. Und neue Unternehmen werden wir brauchen. Unsere Region und damit auch unsere Heimstadt steckt mitten im Strukturwandel. Mehrere tausend Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft und mindestens noch einmal so viele im so genannten Zuliefererbereich werden wegfallen. Im Jahr 2019 hat der Rat der Stadt Linnich auf unsere Initiative hin einen weitreichenden Antrag zur Gestaltung des Strukturwandels beschlossen. Aktueller Umsetzungsgrad: 0,00 %. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, verpassen wir den Anschluss. Linnich braucht neue Unternehmen und somit neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Das stärkt nicht nur den Haushalt durch steigende Steuereinnahmen, sondern verhindert eine soziale Schieflage, die droht, wenn der Strukturwandel nicht gelingt.

Wir brauchen Raum für neue Ideen. Jülich und Titz planen Co-Working-Angebote, die wir Freie Demokraten schon seit Jahren fordern. In Linnich sei dafür kein Raum vorhanden. Wer durch die Innenstadt geht, wird allerdings sehr viel Leerstand finden, ja sogar in Gebäuden, die in Besitz der Stadt oder des Landes sind. Noch können wir die Ersten sein. Denn wir müssen nicht erst bauen. Oder wir verpassen auch hier den Anschluss.

Der vorliegende Haushalt ist ein Lichtblick in diesem tristen Jahr. Wir werden endlich aus dem Haushaltssicherungskonzept aussteigen und ein großes Stück an Handlungsfreiheit zurückgewinnen. Das darf uns aber nicht dazu verleiten, wieder das Geld in vollen Zügen auszugeben. Mögliche steigende Zinsen und Steigerungen bei Baukosten können die Überschüsse in den kommenden Jahren gefährden. Wer aber jetzt schon den Rotstift bei der Neugestaltung der Innenstadt, der Grundlage für einen Aufschwung, ansetzt, bevor überhaupt der Überschuss in Gefahr ist, der versündigt sich an der Zukunft unserer Stadt.

Wem alternativ nicht viel anders als Steuererhöhungen einfällt, der hat von den wirtschaftlichen Nöten und Sorgen der kleinen und mittelständischen Unternehmen, insbesondere in der Gastronomie, im Einzelhandel und der Veranstaltungsbranche, wenig mitbekommen. Wer über ein Jahr kaum bis keine Einnahmen hatte, Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken musste, wird kaum höhere Steuerlasten tragen können. Das gilt nicht minder für die Angestellten.

Wir Freie Demokraten wollen den Weg von ‚modernisieren, konsolidieren und investieren‘ fortsetzen. Jede Aufgabe auf Notwendigkeit und langfristige Finanzierbarkeit hinterfragen, in Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur investieren und unsere Stadt damit modernisieren. Wir müssen wieder Spielräume schaffen um mittel- bis langfristig die Bürger:innen und Unternehmen zu entlasten. Wir freuen uns daher, dass die Entlastung bei Straßenausbaubeiträgen nun endlich auf den Weg gebracht wird.

Der vorliegende Haushalt ist ein Lichtblick. Er gibt Hoffnung in schweren Zeiten. Er ist die Grundlage für die weitere Neugestaltung unserer Innenstadt, für die Entwicklung von Baugebieten in den Ortschaften und für den Neubau der Offenen Ganztagsschule. Wir müssen jetzt nur noch Tempo machen bei der Digitalisierung und der Gestaltung des Strukturwandels. Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt dem Haushaltsentwurf nebst Stellenplan zu. Wir bedanken uns bei der Bürgermeisterin, unserem Beigeordneten Herrn Hensen, dem neuen Fachbereichsleiter Herrn Joecken sowie bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für ihre geleistete Arbeit.